Geplantes Chaos: Wilder Garten im goldenen Schnitt
„Es gibt immer was zum Freuen“, mit diesem Satz bringt M die Faszination des Gartelns auf den Punkt. M ist eine liebe Gartel-Freundin meiner Schwiegermutter – und damit automatisch im erlauchten Kreis der floral Fortgeschrittenen. Die bewundernde Auszeichnung für die hohe Kunst des klugen Gartelns. Denn M’s Wissen um botanische Feinheiten ist beeindruckend, ihre Liebe zum Garten herzerwärmend und ihre Begeisterung ansteckend.
M öffnet mir spontan nach kurzer Voranmeldung ihre Gartentüre für einen Nachmittag – eigentlich gar nicht notwendig, denn die Türe zu ihrem kleinen feinen Paradies am Wiener Stadtrand steht eigentlich sowieso immer offen. Und noch was Untypisches für diese Gegend:
Es gibt keinen Zaun im Vorgarten. Stattdessen liegen Euphorbien, Beinwell, Steinkraut, Lavendel, Kugeldistel, Akelei, Schwertlilien, Thymian und Buschrosen wie ein ausgerollter Teppich vor dem Haus. Es ist ein bunter Reigen, der da buchstäblich das ganze Jahr über immer an irgendeiner Ecke blüht oder grünt. Das ist natürlich kein Zufall. Genau das läuft eben unter „klugem Garteln“! Gekrönt ist der Vorgarten von einer mächtigen Glyzinie, die sich bis hinauf zum Balkon ranken darf. Ein duftend violett schimmerndes Schauspiel.
Das Wissen und die Erfahrung zu haben, Pflanzen, Blumen, Büsche, Gräser und Kräuter so aufeinander abzustimmen, dass sie in Größe, Farbe, Dichtheit, Struktur und Saison miteinander harmonieren, sich abwechseln und ergänzen – hier blüht uns tatsächlich hohe Gartel-Kunst! M jongliert mit den Pflanzen in ihrem Garten, sie ist die Dirigentin im floralen Orchester. Das bewundere ich sehr.
Was auf den ersten Blick als stimmiges Chaos scheinen mag, ist klare Planung: 3 Kreise bilden die Struktur des Gartens, verbunden durch die Wege dazwischen. Das macht die Formation des Gartens logisch und bringt den blühenden, wuchernden Mix aus Eiben- und Buchskugeln, Steinkraut, Bergenien, Funkien und Lilien in eine ausgewogene Ordnung. Hier gibt es lauschige Plätze – für jede Tageszeit und jeden Sonnenstand einen eignen.
Die Pflanzen tragen in diesem Garten ihre eigene Geschichte: Die Samen des Pferdeeppichs aka Smyrnium hat M von der Burg Liechtenstein transferiert – das leuchtende Grün des zarten Doldenblütlers ist einzigartig. Die mondäne Strauch-Pfingstrose, die vor 25 Jahren als kleiner Ableger ihre blühende Karriere startete und mittlerweile als unbestrittene leuchtende Diva am Schauplatz betört. Lerchensporne, die beständig den Eingangsweg erobern dürfen, über dem man nur auf Zehenspitzen tänzelnd in den Garten gelangt, um ja kein Pflänzchen zu zertreten.
Und wer würde das wagen in diesem wunderbaren Abwechslungsreich?
Hinterlassen Sie einen Kommentar
Wollen Sie an der Diskussion teilnehmen?Feel free to contribute!