Kräuter sind sexy!
Kindern der 70er- und 80er-Jahre ist die braune Flasche mit dem schlanken Hals, der signalgelben feuerwehrroten Aufschrift und der würzig salzigen Flüssigkeit wohl vertraut. Zu meinen kulinarischen Erinnerungen gehört sie wie die feine Thea, Rezeptkärtchen im Karteikasten meiner Mutter und das uralte Sacherkochbuch, von dem man sich mit den immer drei gleichen Speisen inspirieren ließ. Die moderne Hausfrau zeichnete sich eher durch den raffiniert smarten Einsatz von Convenience aus, als durch frische, unverfälschte Zutaten. Maggi mochte man eben.
Frische Kräutertöpfe in Haushalten waren unbekannt – Trockengewürzmischungen im Einbauregal der Einbauküche in gefühlten vierhundertachtundzwanzig Sorten waren state of the art, wenn es um zeitgemäßes praktisches Kochen ging. Maximal vier Sorten waren in Verwendung, aber man könnte ja auch irgendwann einmal die restlichen vierhundertvierundzwanzig brauchen. Als Kind faszinierten mich besonders jene Kräutervarianten, die mir unbekannt waren (irgendwas mit Senf…?). Die bunten Deckel zu öffnen, daran zu riechen und sie anschließend nach Farben im Regal zu ordnen, war einer meine ersten küchentechnischen Eindrücke.
Die einzigen Kräutersorten, die ich in frischem Zustand kannte, waren Schnittlauch und Petersilie – im Garten meiner Omi geerntet. Auch Dille war mir nicht unbekannt (legendär die Dillsauce meiner Mama mit Semmelknödeln!). Aber noch war die Zeit nicht reif für Ananassalbei, Currykraut und Koriander, frisch geerntet aus Topf oder Garten. Und auch weniger mondäne Exoten wie die Klassiker Oregano und Thymian waren weder auf Fensterbrett noch Eingangsstiege zu finden.
Viele Jahre sind seit dem Zeitalter der Gewürzwüste vergangen. Töpfe, bepflanzt mit Basilikum, Bohnenkraut, Estragon, Kerbel, Majoran, Melisse und Minze und prachtvolle Kräutergärten mit üppigem Rosmarin und Salbei sind längst die Zeitzeugen einer frischen, hochwertigen Küche. Kräutertöpfe in allen Größen und Materialien – beliebt auch neuerdings als Insignie von Qualität und Niveau in Restaurants. Denn Kräuter sind sexy, sie sollen dem Gast Natürlichkeit und Unverfälschtheit signalisieren. Und wenn dann auch noch tatsächlich damit gekocht wird, dann ist die schmucke Kräuterdeko nicht einmal im Kitsch einzureihen.
Übrigens: Meine Kräutertöpfe stehen definitiv in der Küche. Allesamt in Bio-Qualität – ohne chemisch-synthetische Spritzmittel und ohne künstliche Kräuter. Die Handbewegung des schnellen Zupfens wird vom Koch des Hauses nur dann genutzt, sofern die Kräuter in Reichweite sind. Und diesen Service biete ich ihm in unserer Halbe-halbe-Regelung doch gerne!
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