Skandal am Wörthersee!
Skandal. Skandal am Wörthersee! Skandal ums Parkhotel – Anfang der Roarin‘ Sixties: Ein Aufschrei ging durch das beschaulich aufstrebende Pörtschach. Schließlich war Österreich schon seit jeher gut für ausufernde Empörung, wenn es um die Ablöse von lieb gewordenen Traditionen ging, die Innovationen in Kunst, Kultur oder Literatur Platz machen sollten. Damals, Anfang der 60er-Jahre also, stand die Architektur im Kreuzfeuer der Promenadenkritik. Die Chronique Scandaleuse ist womöglich vergleichbar mit Adolf Loos‘ „augenbrauenlosem“ Haus am Michaeler Platz in Wien, einige Jahrzehnte davor: Ein Haus ohne Schnörkel und Fensterrahmungen, ohne festlichen Stuck und monarchistischen Pomp – die Fassadendekorations-Freaks schüttelten schockiert die Köpfe, sogar der Kaiser schloss angeblich seine Fensterläden in der Wiener Hofburg, um der vermeintlichen Schande nicht ansichtig zu werden. Aber zurück ins Kärnten der 60er-Jahre:
Sichtbeton, Glas und Stahl
In Pörtschach 1953 war das nämlich so: Fischerei und Landwirtschaft waren in den aufstrebenden 60ern schon lange nicht mehr der einzig lukrative Lebenserhalt. Der Tourismus florierte bereits einige Jahrzehnte, seit die Sehnsucht der Erholung von betuchten Gästen aus der Stadt ab Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckt war und sie in der neuen Bahnstation Pörtschach aus der k&k-Südbahn aussteigen konnten. Das schillernd übermütige Türkis des Wörthersees, das seidenweiche Klima und die prachtvoll jugendstilisierten Romantik-Villen, in denen residiert wurde, erfanden also die Sommerfrische nach der Jahrhundertwende. Bis zum Filmdreh vom „Süßen Leben des Grafen Bobby“ und dem Bau des heutigen Parkhotels verging freilich noch viel Zeit (und wurden noch viele weitere prachtvolle Wörthersee-Residenzen gebaut).
Und 1953 war es dann soweit: Keine Türmchen, keine Zinnen, kein verzierender Stuck, keine schwungvollen Holzverkleidungen – stattdessen gerade Linien in der Horizontalen und Vertikalen, Balkonnischen im strengen Fassadenrhythmus, Sichtbeton, Glas und Stahl: Eine schallende Ohrfeige für die traditionelle, verspielte Wörthersee-Architektur, ein in Beton gegossener Affront gegen die architektonisch ortsüblichen Sommerfrische-Usancen. Ein schlichter heller Quader, nüchtern und schnörkellos in der Optik und innen konsequent im 60er-Stil durchgestylt auf Herz und Nierentisch.
Retro im Original
Einige finanzielle Verwirrungen, Umbauten und dem Besitzerwechsel später, haben die Pörtschacher mit dem strengen Quader an der Hauptpromenade längst Frieden und das Parkhotel in ihr Herz geschlossen. Als komfortables Viersternehaus, als Seminarhotel mit Traumlage, als Cafè oder Restaurant – das Hotel mit dem hinreißenden Park ist Allrounder und original Oldtimer. Es sind die Details, die mich schmunzeln lassen: Die goldenen (!) Aufzugstüren, die sich mittig schließen und dahinter James Bond persönlich vermuten lassen. Oder die artgemäßen Türknöpfe, das Stiegenhaus, die Rezeption…
Sogar die ursprünglich in den 60ern bestimmt verlockende Idee, karibisches Flair in der Palmenbar zu versprechen, wird nach wie vor hochgehalten. Wenn Ihr mich fragt, die einzige entbehrliche Sentimentalität – denn wie heißt es im beliebten Facebook-Kalauer: Wenn ich den See seh‘, brauch ich kein Meer mehr. Also vielleicht stirbt der Palmen-Schnickschnack demnächst an Altersschwäche.
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