Sie nennen es Glück: Das Wiesergut in Saalbach-Hinterglemm
Jetzt hab‘ ich schon wieder eines entdeckt. Naturgemäß gibt es Hideaways nicht flächendeckend, sie verstecken sich ihrer Bezeichnung zufolge auch gerne in Regionen, wo wir sie auf den ersten Verdacht keineswegs vermuten. Saalbach-Hinterglemm ist so ein Refugium, in das ich heuer meine alljährliche Radlwoche einplane, obwohl mich weder die halsbrecherischen Downhills locken, noch der Ort im Salzburger Pinzgau selbst – „Home of lässig“ ist ein origineller touristischer Claim, der mich persönlich aber nicht unbedingt mitten ins Herz trifft (meine ungestümen Skizirkus-Saisonen in dem berühmten Wintersportort habe ich längst hinter mir).
Hideaway zwischen Kitzbüheler Alpen und Hohen Tauern
Auf meiner Google-Suche nach heimischen Hideaways stoße ich auf das Wiesergut – partout mit Standort in Saalbach-Hinterglemm. Also gut, denke ich, dieses Wiesergut verspricht süßes Loslassen und die neuerdings viel zitierten Glücksmomente. Es zeigt sich in Text, Bild und Video auf seiner Website von einer für meine Sehnsüchte verlockenden Seite. Passende Radlwege, steigungstechnisch auf meine Mutter und mich abgestimmt, würden sich sicher ergeben. – Und so haben wir uns gefunden, das Wiesergut und ich.
Der siebte Sinn für Design und Materialien
Dass wir uns verstehen würden, war auf den ersten Blick klar. Kein älplerischer Glockenzug am Dach, keine Hüttengaudi-Architektur, kein Wurzelseppkitsch in Brunnentarnung im Vorgarten, kein Rotweißkariert um jeden Preis. Die Wirtsleute Martina und Sepp Kröll widerstanden der Versuchung nach ländlicher Anpassung. Und bauten vor 5 Jahren neben dem traditionellen landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern ein Wiesergut der neuen Art. Schlichte vierstöckige Architektur in Weiß, durchbrochen von schmalen hohen Fenstern und Glastüren im abwechselnden Rhythmus mit unbehandelten dunklen Holzläden, Balkonen und Loggien. Haupthaus, Gartensuiten, Schwimmbad und Spa fügen sich harmonisch um den Garten – die angrenzte, steil bergauf führende Kuhweide ist sozusagen die vervollständigende Seite eines Vierkanthofes.
Interieur aus Holz, Leinen und Filz
Ein Textilkünstler war es, der Materialien, Farben und Texturen des Interieurs aufeinander abgestimmt hat. Für mich als angewandte Haptikerin eine besondere Freude, wenn in Textilien so viel Gespür und Aufmerksamkeit gelegt wird. Kühles Leinen für Vorhänge, Tisch- und Bettwäsche in blütenreinem Weiß, Erd- und Cremetönen, gewebte Wollteppiche, Pölster in groben Strukturen, textile Sitzwürfel, Fauteuilles aus grauem Filz und Holz. Schlichtheit in Formen und Farben, lichtdurchflutete Räume tagsüber und warme, sanfte Beleuchtung am Abend – kein überdekoriertes „Gigi“, kein eitler Firlefanz – wie es die Bezeichnung „Design Hotel“ befürchten lassen könnte.
Glücksmomente im Wiesergut
Im Wiesergut trifft Pinzgauer Bodenständigkeit auf modernes Verständnis von Wohn-, Genuss- und Hotelkultur. Auf diesen Mix stoße ich immer wieder in diesem Haus:
Das selbst gebackene Sauerteigbrot mit Topfen und Kräutersalz als erster Willkommensgruß zum Ankommen. Der Feuerring aus Stahl – geschaffen von Bildhauer Andreas Reichlin und flammendes, archaisches Herzstück im Garten –, der jeden Abend befeuert wird. Die liebevollen Blumenarrangements, angerichtet in glasierten Schalen, hergestellt von einer Waldviertler Keramikkünstlerin (auch das Essgeschirr stammt aus derselben Werkstatt). Der Kräuter- und Gemüsegarten, aus dem Küchenchef Patrick Sagmeister täglich frisches Grün erntet. Und erst die Küche, die ebendieser blutjunge, passionierte Koch führt! Eine Freude jeden Tag, sich zu Tisch zu setzen – meistens auf der Terrasse, unser Lieblingsplatz war gleich neben den Hochbeeten. Herr Sagmeister komponiert leichte Gänge aus fruchtigen, hinreißenden Suppen, heimischem Fisch und Fleisch und beeindruckenden Desserts. Sauerteigbrot und Butter macht Großmutter Kröll selbst, frische Kräuter begleiten das Essensfest von Anfang bis Ende.
In der Hängematte zwischen den Apfelbäumen, am Frühstückstisch in der Morgensonne, bei Regen am Balkon, vor dem offenem Feuer: Es gibt sie also wirklich hier, die versprochenen Glücksmomente. Wiesergut tut gut.
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